Vivat Bac(c)us
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aufgezeichnet von Hermann Bremser und Manfred Link
Und so kam es. Wieder im Saale des TV 1861 fand am 21. Februar 1960 die Narrensitzung statt. Werner Koch war der erste Ministerpräsident und stellte den Abend unter das Motto "Vivat Bac(c)hus". Dem Elferrat gehörten neben ihm an: Richard Bähr, Hermann Bremser, Hans Ganß, Richard Gerecht, Manfred Grosser, Heini Janovski, Rudolf Reindl, Paul Schmidt, Peter Schüler und unser späterer Opernsänger Erhard Weis, der, dem Motto des Abends getreu, gemeinsam mit dem Protokoller Hermann Bremser das Duett "Vivat Bacchus" aus der Mo-zart'schen "Entführung aus dem Serail" sang. Kaplan Norbert Bachus leitete die erste Sitzung mit den Worten ein: "Wir wollen echte Freude in unserer Sitzung pflegen, abseits von jeder Zote und Zweideutigkeit. Pfarrer Biewer kam zu Wort und sprach beinahe "seherisch":
Wenn sie als Kind zu heiß baden,
bemerkt man schon recht früh den Schaden.
Doch kann man auch mit kalten Duschen
unsere Jugend arg verpfuschen.
Die von Leo Berkefeld herrlich aufgemachte Bühne mit dem Riesenbild eines Weinkellers mit riesigen Fässern beherbergte den zwangsläufig mit einem Riesendurst ausgestatteten Elferrat - 5 aus der Katholischen Jugend, 4 vom Kirchenchor und 2 von der Kolpingfamilie - und ließ eine Riesenstimmung aufkommen, was sicher noch vielen unserer "uralten" Freunde in guter Erinnerung sein wird. Ja, Erinnerung! - Im Gewand der Küfer die Elfer, zwei liebliche "Kellermäuschen", als "Mannsuchende" Ingrid Lopatka, Helmut und Eugen Wenzel als "Feuerwehrleute anno 1900", Paul Schmidt und Gerhard Köhler als "Schulbuben" sowie als "Heiner und Philipp" Horst Hasenmaier und ...... Willi Gehrling, der uns heute noch treu ist. Gäste hatten wir, die uns den Start erleichterten, aus Münster und Bodenheim. Gäste aber waren auch die Mädchen aus dem Hofballett der Narrengilde des TV 1861, die mit einem Spanischen Tanz dem "Cancan" von Offenbach - welch eine Sensation damals - tobenden Beifall ernteten. Ja, das muss noch erwähnt werden: Zu diesem Hofballett der Narrengilde gehörten auch die beiden langjährigen Leiterinnen unserer Tanzgarde, Angelika Obach und Ingeburg Bremser. Über Jahre hinaus hielt uns das Hofballett die Treue. War das eine Stimmung damals, im Saal und auf der Bühne.
Das war Antrieb und Verpflichtung fürs nächste Jahr. Noch einmal war Werner Koch unser Ministerpräsident. Er sagte mal, dass der Mist, der im Laufe des Jahres produziert wurde, dem Boden, auf dem jetzt der "Flax" blühe, prächtiger Dünger war. Im übertragenen Sinne - die Worte Humor und Geist, und sein Humor waren der Dünger für den Boden unserer Narrensitzungen. Mag dies zugleich ein Wort des Dankes an ihn, Werner Koch, sein!
Das schrieb damals das "Blättche" am 23. 2.1960:
Karnevalssitzung der katholischen Jugend
Die am Sonntagabend im Saal des Turnvereins 1861 gestartete Narrensitzung der Kath. Jugend zeigte, dass es in Neu-Isenburg an verheißungsvollem karnevalistischen Nachwuchs nicht fehlt. Diese Jugend bewies dem vollbesetzten Haus, dass man „astreinen“ Büttenreden und Vorträgen fröhlichen Herzens lauschen kann, ohne dass dabei die Stimmung leidet und echter Humor zu kurz kommt, Unter dem Leitwort „Vivat Bacchus“ (wahrscheinlich mit einem gutmütigen Spott auf den beliebten Kaplan Bachus, der sich als echter Freund der Jugend so erfolgreich bemüht), stieg eine von harmloser Jugendfröhlichkeit erfüllte Narrensitzung, die schon mit einer vorbildlichen Pünktlichkeit begann. Die Triebfeder zu dieser Pünktlichkeit war wohl der Wunsch, dass man anschließend ja noch recht lange und ausgiebig tanzen wollte, obwohl man wusste, dass man anderntags beizeiten zur Arbeit gehen muss. Valentin Rienecker mit seinen Solisten eröffnete den bunten Reigen musikalisch und kurbelte schon von Beginn die Stimmung an. Dazu bedurften diese fröhlichen jungen Menschen keines großen Aufwandes. Sie brachten schon frohe Herzen und gute Laune mit, die sich schnell über den ganzen Saal ausbreitete, als ihr „Elferrat“ getreu dem Motto „Vivat Bacchus“ in die Narrhalla als Küfer und Kellermeister einzog. Werner Koch schwang das Szepter schneidig und stellte fest, dass der Mist, der im Laufe des Jahres produziert wurde, den Boden prächtig gedüngt hat, auf dem jetzt der „Flax“ blühe. Die vielbelachten komischen Namen der Elfer seien uns hier in Gnaden erlassen, sie konnten unmöglich alle im Gedächtnis verhaftet werden. Natürlich gab es auch Ordenszier für jeden der elf Minister, sogar für die allerliebst anzuschauenden „KellerMäuschen“ des Abends. Es hätte auch gar nicht der Aufforderung bedurft: Hermann bring“ mal „ein bisschen Leben in die Bütt.“ Die Stimmung und das Leben waren auch ohnehin da, wo soviel Jugend beisammen war. Na, und gesungen wurde aus Herzenslust viel und reichlich. „Wo man singt, da lasst euch fröhlich nieder; „böse Menschen“ singen Dschungelliederl“ Dass viel bekannte heitere Lieder älteren Datums gesungen wurden, tat der Freude keinen Abbruch; sie passten besser in die Situation, als manche witz- und ,geistlosen „Karnevalsgesänge“ neueren Stils. Dass auch Kaplan Bachus, der eingangs die Gäste aus dem In- und Ausland herzlich begrüßt hatte, und einige Worte der Einleitung in das Wollen dieses „Jugendprogramms“ gesprochen hatte, seinen Orden für seine Mühe und Arbeit um die Jugend erhielt, sei nur der Vollständigkeit halber am Rande erwähnt. Auch Pfarrer Biewer konnte an diesem Abend seine helle Freude an den jungen Menschen haben, unter denen sich einige Talente offenbarten. Dass Erhard Weiß - Sie wissen doch: der junge Mann mit dem prachtvollen Opernbass! - ein großartiger Bacchus war, bedarf wohl kaum einer besonderen Erwähnung. Und was da alles im Protokoll stand, das war eine Nachlese aus der jugendlichen Perspektive, die manchem Routinier alle Ehre gemacht hätte. Es war amüsant, über was und wen die Jugend da alles lästerte. Und wer über sich selbst lachen und spotten kann, der hat fürwahr einen sonnigen Humor (siehe Rock and Roll, Billy Ramsay usw.). Hermann Bremser erwies sich als ein Protokoller von Format. Ingrid Lopatka aber „wünschte sich en Mann“ in einem gekonnten Mundart-Vortrag. Die Münsterer Gäste waren mit August Schledt und Tochter sowie den „Paraqueios“ vertreten und die Gäste aus Bodenheim (Familie Grünes, Das treudoofe Kurtchen) trugen ebenfalls dazu bei, dass aus dem Zwei-Stunden-Programm eine Vortragsfolge von über drei Stunden wurde. Es wurde der reinste Wettbewerb der Jugend, wer es am Bes-ten wohl kann. Wir wollen diese Frage nicht entscheiden, um uns nicht in den Geruch des Lokalpatrio-tismus zu versetzen. Die Kolpingsöhne kamen mit ihrem Beitrag „Heiner und Philipp“ zu Wort und schließlich darf auch die Tanzgruppe der Turnerinnen des TV 61 nicht unerwähnt bleiben, die mit ihrer Tarantella und ihrem Can-Can einen Höhepunkt schufen, der bereits in den närrischen Sitzungen der Narrengilde des TV 1861 so starken Beifall gefunden hatte. Da war noch so manches und mit großem Beifall aufgenommenes in dieser Sitzung der Jugend, über das man lange Spalten berichten könnte. Etwa: Die verlorene Brieftasche, die groß, blond und hübsch anzusehen war mit ihren blauen Augen, oder die kurzsichtige Oma, die versehentlich die Katze ins Putzwasser steckt und damit aufwäscht. Man kann das alles gar nicht hier aufzählen, was sich die Jugend an Ein- und Ausfällen alles einfallen ließ. Sei auch noch Franz Ackermann mit der „Kerschetort“ genannt, die „Feuerwehrleut“ Eugen und Helmut Wenzel, Horst Hasenauer und Willy Gerling als „Heiner und Philipp“ und ab schließend das Närrische Präsidium: Werner Koch, W. Bremser, E. Weiß, H. Gans, R. Reindl, H. Janovski, M. Großer, R. Gerecht, Paul Schmidt, P. Schuler und Richard Bähr. Man darf nach diesem großen Erfolg einer Närrischen Sit-zung der Kath. Jugend mit Spannung den angekündigten weiteren Jugendveranstaltungen in diesem Jahr entgegensehen.